Die wohl beste Welt

brockhaus.pngWir leben in der wohl besten Welt, die es je gegeben hat. Vielen Leuten ist aber nicht bewusst, wie gut es uns heute geht. Und dies beschäftigt mich: …

Wir leben in der wohl besten Welt, die es je gegeben hat. Vielen Leuten ist aber nicht bewusst, wie gut es uns heute geht. Und dies beschäftigt mich: Warum haben wir soviel Mühe, den unglaublichen Fortschritt, den der Homo sapiens in den letzten Jahrhunderten gemacht hat, zu würdigen? Oder ist es umgekehrt so, dass wir zur Kenntnis nehmen sollten, dass es uns immer schlechter geht? Dass uns Terrorismus, Ungleichheit, Kriege, Populismus, Klimaerwärmung, Egoismus und Ressourcenverschwendung immer mehr in den Abgrund ziehen? Wie kann man einen Ausweg aus diesem Meinungsdilemma finden? Wo muss man nach Antworten suchen?

Zunächst einmal erfordert das Thema einen längeren Betrachtungshorizont. Nur Entwicklungen, die mindestens über mehrere Jahrzehnte verfolgt werden können, sind von Relevanz. Das heisst auch, dass die Meldungen der Tagesmedien zu dieser Frage kaum etwas beitragen. Dies ist wichtig, denn viele Menschen lassen sich von den pausenlos auf sie eindringenden Negativmeldungen dazu verleiten, den Gang der Welt allzu pessimistisch zu sehen.

Den Gegenpol dazu bildet die Geschichtswissenschaft. Dank unseren heutigen Kommunikations- und Speichermöglichkeiten wissen wir sehr viel über die Lebensbedingungen früherer Zeiten und können entsprechende Vergleiche anstellen.

Um die Probe aufs Exempel zu machen, nehme ich die Lebensdaten des Komponisten Franz Schubert, da ich gerade an dessen letzter Klaviersonate arbeite. Schubert wurde 1797 in Wien als zwölftes von 19 Kindern geboren. Von den 14 Kindern, die aus erster Ehe von seinem Vater stammen, erreichten ausser Franz nur noch vier das Erwachsenenalter. Und trotz sehr kurzem Leben von nur 31 Jahren hinterliess Schubert 1828 ein riesiges Gesamtwerk von Hunderten von Kompositionen.

An diesen historischen Befunden fallen aus heutiger Optik vor allem die schrecklich hohe Kindersterblichkeit und die extrem kurze Lebenserwartung auf. Beides war aber nicht etwa ein individueller Sonderfall, sondern entsprach der Normalität in dieser Zeit.

Dies hat sich inzwischen in fast unvorstellbarer Weise geändert: Während zu Schuberts Zeit jedes zweite bis dritte Kind unter fünf Jahren gestorben ist, trifft dieses Schicksal heute nur noch jedes elfte bis 500ste Kind. Sogar die schlimmsten Bedingungen unserer heutigen Welt sind also immer noch etwa viermal besser als die besten von damals. Und auch die Lebenserwartung bei Geburt ist seit Schuberts Zeit im weltweiten Durchschnitt von 30 auf 71 Jahre gestiegen (trotz Terrorismus, Kriegen und Klimakatastrophen), in der Schweiz liegt sie sogar bei 83 Jahren.

Diese beiden Entwicklungen stehen aber nicht allein: In praktisch allen Bereichen, die für unsere Lebensbedingungen ausschlaggebend sind, können wir auf grosse Fortschritte zurückblicken. Und wenn man schliesslich noch bedenkt, dass seit dem Jahr 1800 gut sechs Milliarden Menschen mehr auf diesem Planeten leben, wird die Erfolgsgeschichte schier unfassbar. Warum nur wird das so wenig zur Kenntnis genommen?

Dieser Beitrag ist als Kolumne unserer Lokalzeitung «Die Botschaft» unter dem Titel “Was mich beschäftigt” am 10. März 2018 erschienen. Zudem findet sich der Beitrag auch in meinem Blog “Schlumpf-Argumente”.

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