Energiewende – Geschenk des Himmels

5er.pngSonnenenergie ist fast unbegrenzt vorhanden. Das heisst noch nicht, dass man sie nutzen kann.Der Bundesrat hat von Ausserirdischen eine Botschaft erha…

Sonnenenergie ist fast unbegrenzt vorhanden. Das heisst noch nicht, dass man sie nutzen kann.

Der Bundesrat hat von Ausserirdischen eine Botschaft erhalten: Die Schweiz sei für die Rettung der Welt vor dem Klimawandel als Musterschülerin auserkoren worden. Zum Dank dafür und weil sie später in der ökologisch vorbildlichen Schweiz heimisch werden möchten, würden sie 5 Prozent der Kosten für die Energiewende, also zehn Milliarden Franken, dem Land zukommen lassen. Aus physikalischen Gründen sei dieser Geldsegen aus dem Weltall aber nur in der Form eines Geldregens möglich. Die Ausserirdischen würden also über ein Jahrzehnt verteilt – sage und schreibe 200 Milliarden Fünfräppler auf die Schweiz niedergehen lassen und sich dabei an die zeitliche und örtliche Verteilung der Sonnenstrahlen halten. Der Bundesrat verdankte diese generöse Geste, fragte aber nach, ob es nicht möglich wäre, diesen Betrag planbar und speicherbar auf ein Sammelkonto beim Bund zu leiten. Man könne so das Geldgeschenk viel gezielter nutzen.

Fünferli-Geldregen

Was lernt man daraus? Dass eben Geld einerseits absolut homogen ist, andererseits aber zeitlich und örtlich einen ganz verschiedenen Nutzen und damit Wert aufweist. Wenn ich in der Sahara kurz vor dem Verdursten bin, ist meine Hunderternote wertlos, ausser es kommt eine Karawane vorbei, dann zahle ich für einen Wasserkanister gerne hundert Franken. Und eine Note in der Tasche ist etwas anderes, als wenn in der Sahara hundert Einfränkler in einem Radius von hundert Kilometern herumlägen.

Die Antwort der Ausserirdischen war aber abschlägig, indem sie erklärten, dieser Fünferli-Geldregen sei für sie die einzige Möglichkeit, aber für die Schweiz ja gratis. Zudem sei die Schweiz ja Weltmeister beim Absaugen von CO2 aus der Luft und freue sich sicher über den Anreiz, den vielversprechenden technischen Fortschritt beim Münzensuchen in Seen, Wäldern oder Feldern zu beschleunigen.

Woher kommt die Idee für eine derart absurde Kolumne? Ich habe bloss die Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI) im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BfE) mit dem Titel «Die neue Energiewelt» gelesen und bin auf Seite sechs auf folgende Passage gestossen: «Der Rohstoff Sonne ist faktisch in unbegrenzter Menge vorhanden – sie strahlt in zwei Stunden mehr auf die Erde als die gesamte Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Auch in der Schweiz strahlt von der Sonne 200 Mal mehr Energie ins Land, als dort benötigt wird. Natürlich ist dieser Energieschatz nicht kurzfristig nutzbar; aber er deutet an, wie gross das Potenzial ist, das durch den technischen Fortschritt erschlossen werden kann.»

Weder die Sonne noch die Ausserirdischen schicken uns eine Rechnung für die Strahlen beziehungsweise den Räpplerregen. Aber genauso wie es sich wohl kaum lohnt, die zeitlich und örtlich extrem verstreuten und versteckten Fünferli systematisch einzusammeln, genauso wenig lohnt es sich, in unseren Breitengraden die Sonnenstrahlen flächendeckend zu sammeln, von den Blitzen wollen wir gar nicht reden. Es ist damit zu rechnen, dass organisierte Suchaktionen bei den Fünferli mehr kosten würden, als die eingesammelte Summe wert wäre. Aber trotz dieser Such- und Sammelkosten könnten die Geldstücke immerhin fast kostenlos in Noten- oder Buchgeld umgewandelt und somit für Jahrzehnte gespeichert werden. Das ist beim Solarstrom bestenfalls für den Tag-Nacht-Ausgleich möglich; aber für die Saisonspeicherung schon technisch nicht machbar und wirtschaftlich hoffnungslos. Im Falle der Solarenergie reden wir hier vom ERoEI (Energy Returned on Energy Invested), also dem Nettogewinn an Nutzenergie bei der Umwandlung von Sonnenstrahlen in Strom aus der Steckdose.

Die Natur kann dank Fotosynthese mit den Sonnenstrahlen zu Reichtum gelangen, die menschliche Technik erreicht leider wenig. Der technische Fortschritt kann an der maximalen Energiezufuhr pro Quadratmeter rein gar nichts ändern und die Wirkungsgrade für Umwandlung in chemische Speicher nur wenig erhöhen. Ob die Ausserirdischen uns mit ihrem üblen Scherz eine Lektion erteilen wollten?

Dieser Beitrag ist zuerst in der «Weltwoche» vom 5. Juli 2018 erschienen.

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9 thoughts on “Energiewende – Geschenk des Himmels”

  1. Jetzt ist es also von ihm selbst belegt – einst war Silvio Borner ein Ernst zu nehmender Ökonom, der sich um die Schweizer Volkswirtschaft verdient machte und insbesondere der Wettbewerbsfähigkeit und Innovation Augenmerk schenkte. Nun ist er zum Märchenonkel verkommen, der die Realitäten nicht mehr sehen will oder kann.
    Diese Realitäten zeigen etwa, dass auch die Internationale Energieagentur IEA den Wert der Solarenergie erkannt hat – wenn auch noch nicht allzulange. Erkannt haben ihn hingegen all die Investoren, die unterdessen Hunderte von Milliarden Franken jährlich in diese Technologie und deren Anwendung weltweit investieren. So gilt etwa zu beachten, dass auch nördlicher als die Schweiz gelegene Länder wie etwa Belgien oder Grossbritannien anteilsmässig wesentlich mehr als die Schweiz in die Solarenergie investieren. Und Borner vertraute doch einst auf die Weisheit der Kapitalisten…. was nun. Müssig zu erwähnen, dass die Solarenergie in den letzten zehn Jahren eine geradezu gigantische Verbilligung erfuhr – selbst in der Schweiz lässt sich mit grösseren Anlagen die Kilowattstunde Solarstrom zu rund 10 Rappen (!) produzieren – weltweit gilt sie als unterdessen billigste neue Energiequelle überhaupt. Und das Speicherargument ist unterdessen auch obsolet, ergänzen heute doch in Mitteleuropa zehntausende von Anlagenbauern ihr Solarwerk mit einer Batterie. Das Niveau der Stromproduktion via Sonne ist aber immer noch auf einem Niveau (Anteil 3% insgesamt, zu sonnenreichen Stunden 20%), dass die Nachfrage das Angebot noch längst absorbiert. Borner würde sich also besser mit den sich rasch wandelnden Gegebenheiten der Solarwirtschaft befassen als Märchen zu erzählen – die übrigens gar nicht originell sind.

  2. auch wenn nur 20% des Strombedarfs durch Sonnenenergie wirtschaftlich gedeckt werden können und dafür weniger Öl., Kohle oder Erdgas verbrennt werden müssen, ist das nicht erstrebenswert? Und den Rest kann man von mir aus mit Kernenergie decken, wenn sie genug sicher, flexibel und wirtschaftlich ist!

  3. Also kapitalistische Investoren setzen Hunderte von Milliarden für Sonnenenergie ein, Also können wir mit den milliardenschweren Subventionen und den marktverzerrenden Einspeisevergütungen sofort au hören. Die Pruktionskosten für Solar sinken, aber die Intermittency-Cost steigen mehr an, so dass die richtig gerechneten Kosten mit steigendem Anteil von Solarstrom zunehmen.Der Wert des Solarstroms sindk rascher als die Produktionskosten.

  4. Vielleicht ist Ihnen auch schon zu Ohren gekommen, dass die Einspeisevergütungen in der Schweiz 2022 auslaufen, in Deutschland radikal gekappt (11 EuroCent pro KWh) und auch in vielen anderen Staaten schon durch Ausschreibungen ersetzt wurden. Früher gewährte und auf einen Zeitraum von 20 Jahren versprochene Vergütungen sind in einem rechtstaatlichen System natürlich noch auszurichten. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass durch den Mengeneffekt die Kosten derart rasant gesunken sind. Übrigens gilt Gleiches für Windstrom. Vergütungen aller Art zu streichen wird im Sinne eines lebensfähigen Strommarkt-Designs nicht möglich sein, was Ihnen als Ökonom ja als erstes einleuchten müsste – oder sind Sie jetzt wirklich nur noch Märchenonkel.

  5. die PV hat leider schwerwiegende Nachteile, die nicht wegzureden sind. Ab einem bestimmten Anteil (ca 20 %) der Stromproduktion sinkt ihren Wert stetig bis Null, da immer mehr Speicher oder die Umwandlung in Gas notwendig wird. Nicht die reinen Produktionskosten sind relevant, sondern ob der Strom wenn er produziert dann benötigt wird, oder nicht. Das gilt aber auch für Kernenergie und Laufwasserkraftwerke, die nicht flexibel produzieren können.

  6. Herr Huber bringt alles auf den Punkt, ausser in seiner letzten Bemerkung zur Bandenergie aus Wasser oder Nuklear, die auch nicht regelbar seien. Erstens werden sie das immer mehr. Und zweitens liefern sie eben Bandenergie für die Grundlast, die immer ein hohes Niveau erreicht. Zudem konnten bisher ÜBERSCHÜSSE der Kernkraft in der Nacht für Pumspeicherwerke sehr rentabel verwertet werden, was bei Überschüssen von Flatterstrom nicht der Fall ist. Sie erreichen im Gegenteil einen negativen Wert.
    Was ist die Lehre daraus? Sonne und Wind sind nicht Substitute für nuklearen oder fossilem Strom sondern Komplemente. Sobald sie aber 20 % oder so überschreiten, werden sie systembezogen immer teurer. Für die Versorgungssicherheit entscheidend ist ein ökonomisch-technisch optimales Portfolio und nicht eine ideologische
    Produktionsstruktur

  7. 10 TWh Jahresproduktion PV bedeutet 10’000 MW installierte Leistung in der Schweiz.
    Das ist gleich die Höchstlast der Schweiz. im Winter. Im Sommer beträgt die Höchstlast aber nur ca 6’000 MW. Das heisst wir haben 4000 MW PV zu viel im Sommer. Dazu kommen 4’000 MW Laufwasser. Was machen wir mit: dieser überschüssigen Leistung: Autobatterien laden, Klimaanlagen zuschalten, unseren Nachbarn verschenken, andere Vorschläge ????

  8. Der Zubau von Windkraftwerken und PV-Anlagen führt aber dazu, dass Grundlastkraftwerke nicht mehr benötigt werden und vom Markt verdrängt werden. Das ist ein Paradigmenwechsel. In der Folge braucht es gewaltige Speicherkapazitäten und/oder eine grosse Anzahl von Power to Gas Anlagen. Das wird extrem teuer. Je nach CO2 Preis werden flexible Gaskraftwerke günstiger, das machen uns die Amerikaner vor.
    Der Endkundenpreis (und nur dieser ist relevant) kennt in Zukunft nur noch eine Richtung und das ist nach oben.

  9. Borner schreibt: «ÜBERSCHÜSSE der Kernkraft in der Nacht für Pumspeicherwerke sehr rentabel verwertet werden, was bei Überschüssen von Flatterstrom nicht der Fall ist.» Das ist erstens eine unbewiesene Behauptung und zweitens eignet sich vor allem Solarstrom sehr wohl für die dezentrale Speicherung! Schon mal gehört: In Deutschland werden unterdessen die meisten Solardachanlagen mit Speicher erstellt. Und Borner schreibt auch: «Sobald …Sonne- und Windstrom… 20 % oder so überschreiten, werden sie systembezogen immer teurer.» Das bedeutet aber: Weil sie bislang erst deren 3% erreichen, gibt es auch aus Borners Sicht einen grossen Spielraum für die Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien! Dank für diese Einsicht!

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