Sicher, sauber, schweizerisch, ehrlich?

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Laut der jüngsten Tamedia-Umfrage steht für drei von fünf Befürwortern des neuen Energiegesetzes der Klimaschutz im Vordergrund. Und laut einer wissenschaftlichen Erhebung im Rahmen des Nationalfondsprojekts NFP 71 «Steuerung des Energieverbrauchs» wird Stromimport als die unerwünschteste aller Optionen für eine zukünftige Energieversorgung angesehen.
Schaut man sich jedoch das dem Energiegesetz zugrunde liegende Szenario mit dem Titel «Politische Massnahmen», oder im Fachjargon POM genannt, genau an, wird klar, dass genau das Gegenteil eintreten wird. Die Treibhausgasemissionen der Stromproduktion werden sich erhöhen und die Importabhängigkeit wird weiter zunehmen. Diese Fakten sind dem Bundesamt für Energie (BFE) und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu), beide im Departement von Bundespräsidentin Leuthard, bekannt.
Der heutige Strommix der Schweiz belegt mit 32 Gramm CO₂-Äquivalent pro Kilowattstunde einen internationalen Spitzenplatz in Sachen Sauberkeit. Diese Stromproduktion basiert auf einem einmaligen Mix aus eigener Wasserkraft, eigenen Kernkraftwerken und Bezugsrechten von Atomstrom aus Frankreich. Nach dem Stromszenario POM sollen jedoch weder die Kernkraftwerke noch die Bezugsrechte erneuert werden. An deren Stelle sollen neue Erneuerbare und importiertes Erdgas treten. Bis 2035 sollten elf Terawattstunden (TWh) mit neuen Erneuerbaren und elf TWh mit Erdgas erzeugt werden. Das sind immerhin über tausend Windturbinen und über vierzig Quadratkilometer Fotovoltaik, die in den nächsten achtzehn Jahren zu bauen wären. Bis 2050 soll dann auch noch das importierte Erdgas sukzessive durch neue Erneuerbare ersetzt werden, also eine Verdoppelung der bereits installierten Wind- und Solaranlagen. Das ist schlicht realitätsfremd. Dabei ist die ganze saisonale Speicherthematik noch ausgeblendet.
Dem Bafu liegt eine Studie vor, welche die CO₂-Emissionen von Strom aus Fotovoltaik, Wind, Geothermie, Biomasse, Wasserkraft und Kernkraft in Gramm pro erzeugter Kilowattstunde berechnet. Diese Werte kann man beim heutigen Strommix einsetzen und kommt dann auf die bereits erwähnten 32 Gramm. Macht man dasselbe beim Strommix, wie ihn das Energiegesetz vorsieht, ergeben sich 94 Gramm pro Kilowattstunde, also dreimal mehr als heute.
Gleichzeitig hat sich die Schweiz mit dem Klimaabkommen von Paris dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2035 zu halbieren. Von den 143 Ländern, welche das Abkommen ratifiziert haben, verpflichtet sich die Schweiz zum ambitioniertesten Ziel, obwohl sie mit ihrer schadstoffarmen Stromproduktion bereits Musterknabe ist. Das vorliegende Energiegesetz läuft diesen Klimaverpflichtungen diametral zuwider. Es ist unbegreiflich, dass eine Regierung solch realitätsferne Ziele sowohl zur Energie- als auch zur Klimapolitik beschliessen kann und ein Parlament einer derartig widersprüchlichen Politik auch noch zustimmt.
Wer daran Zweifel hat, kann dies alles nachlesen in den BFE-Berichten «Smart Grid Roadmap Schweiz 2015», «Umweltauswirkungen der Strom­erzeugung in der Schweiz 2012» und dem Bafu-Bericht «Treibhausgasemissionen der Schweizer Strommixe 2012».
Entweder liest Bundespräsidentin Leuthard die Berichte ihrer eigenen Ämter nicht oder sie erzählt dem Stimmvolk ganz einfach nicht die Wahrheit. Wer sich also wirklich umweltbewusst engagieren will, muss das unehrliche und vermurkste Energiegesetz ablehnen.

publiziert in der Basler Zeitung vom 21. April 2017

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1 thought on “Sicher, sauber, schweizerisch, ehrlich?”

  1. Die heutige CH-Stromerzeugung ist bezüglich CO2-Emissionen vorbildlich, da sind wir einig. Aber eine sichere und günstige Technologie in der Kernenergietechnik für den Ersatz dieser Kraftwerke gibt es heute und in absehbare Zukunft leider nicht. Das ist wohl das Dilemma, vor welchem unsere Gesellschaft steht. Die Augen verschliessen und auf dem Prinzip Hoffnung zu setzen ist nicht wirklich schweizerisch. Und die Schweizer stehen weltweit ganz oben in der Liste der CO2 Emittenten, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_CO2-Emission, sollen wir darauf stolz sein?

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