Das Coase-Theorem: Die Verwirrung hält an

Bruno Frey und David Iselin haben vor kurzem ein kleines Buch herausgegeben, welches fürs Vergessen von gegen 70 ökonomischen Ideen plädiert. Eine ganze Reihe der aufgeführten Ideen helfe ich jederzeit mit auf den Misthaufen tragen, wie zum Beispiel die Peak Oil-Theorie oder das Ende der Arbeit. Die Herausgeber wollen mit gezielten Provokationen zum Nachdenken anregen – was sie bei mir durchaus erreicht haben. Widerstand leiste ich gegen das Plädoyer von Eric Posner (2017), welcher das Coase-Theorem (CT) vergessen will.

Die Geschichte des CT geht auf drei Aufsätze von Ronald Coase (1937, 1959, 1960), die dritte Auflage von Stiglers Lehrbuch (1966) und eine bis heute andauernde Rezeption von Coase (1960) zurück, welche von Irrungen, Wirrungen und Fehlern in renommierten Lehrbüchern strotzt. Wenn Posner am Ende seines kurzen Aufsatzes die Arbeiten von Coase lobt, aber gleichzeitig das CT vergessen will, dann schreibt er mit seinem Beitrag einzig die eigenartige Rezeption von Coase’s sozialen Kosten fort. Um es kurz zu machen: Das CT hat wenig bis nichts mit dem Denken von Coase zu tun. Coase hat sich von der fiktiven Welt des deshalb unpassend nach ihm benannten Theorem bereits 23 Jahre vorher mit seinem 1937-Aufsatz verabschiedet. Das CT ist effektiv eine von Stigler (1966, S. 113, siehe Download), eventuell aus didaktischen Gründen so benannte Tautologie, welche McCloskey (1998) rhetorisch gekonnt auf Adam Smith, Edgeworth oder Arrow und Debreu zurückführte.

Nun, der Aufsatz von Eric Posner enthält weitere Missverständnisse (was mich ehrlich gesagt schon erstaunt, kommt doch dieser Autor «aus dem besten Stall»). Erstens konstatiert Posner, dass das CT zur wenig interessanten Feststellung führe, dass wegen Transaktionskosten Transaktionen von geringem Wert unterlassen werden. Sorry, aber hier kann ich Posner nicht folgen. Die besagte Feststellung hat meines Erachtens wenig mit dem CT und viel mit der realen Welt zu tun. Und ich erachte die Einsicht auch keineswegs als trivial. So stelle ich im Umweltschutz immer wieder fest, dass für die Behebung von vergleichsweise kleinen Umweltbelastungen hohe gesellschaftliche Kosten in Kauf genommen werden.

Ein anderer Abschnitt stört mich noch mehr. Posner kritisiert die Unschärfe des Transaktionskostenbegriffs und umschreibt Transaktionskosten unter anderem als Informationsasymmetrien. Er schreibt dann, dass gemäss Hayek bei Null Transaktionskosten keine Märkte notwendig seien und die Güterallokation durchaus effizient von der Regierung vorgenommen werden könne. Wie kann sich Posner nur ein solches Argument zurecht legen? Unter der Annahme dass er an dieser Stelle Hayeks Aufsätze von 1937 und 1945 anspricht, ist dieser Zusammenhang konstruiert und nicht verständlich. Hayek hat mit diesen beiden berühmten Aufsätzen das Allokationsproblem in einer dynamischen und pluralistischen Gesellschaft beschrieben und anschliessend eine Theorie gesellschaftlicher Informationsverarbeitung entwickelt, welche der Subjektivität von Kosten voll Rechnung trägt. Die Reduktion von Hayeks Ideen auf Informationsasymmetrien scheint mir abstrus. Das Argument zeigt aber deutlich die Schwäche von Posners Denken auf und ist auch deshalb irrwitzig, weil es die Stigler’sche Welt des CT nie gegeben hat, nicht gibt und nie geben wird. Das CT ist ein Gedankenexperiment und häufig wenig nützlich. Manchmal jedoch ist das CT interessant und als «Nirwanareferenz» durchaus produktiv. Dank dem CT erkenne ich zum Beispiel im Alltag immer wieder übersichtliche Konfliktsituationen, welche einen Tauschgewinn zwischen den Kontrahenten nicht ausschliessen. Mir persönlich hilft es auch Regulierungsfolgen nicht zu vergessen und besser zu verstehen. So frage ich mich bei jeder neuen Vorschrift immer sogleich, wer denn davon in letzter Konsequenz gewinnen und wer verlieren könnte. Wie auch immer sich in der realen Welt Regeln auf die Effizienz auswirken mögen – eine Umverteilung ist uns gewiss.

Im Übrigen sind meines Erachtens Transaktionskosten alles andere als ein diffuses Konzept. Steven Cheung hat 1998 eine wunderbare Rede gehalten und Transaktionskosten als jene Kosten bezeichnet, welche in der simplen Welt des einsamen Robinson Crusoe nicht existieren. Er hat sie in der Folge als Institutionenkosten bezeichnet und uns klar gemacht, dass all die Formen des Tausches, welche wir in der realen Welt in der Form von Märkten, Organisationen und den unzähligen Voraussetzungen wie Verfügungsrechte beobachten, die Kosten der Spezialisierung im Zaum halten.


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Dateiname: Stigler_Price-Theory_1966.pdf
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Referenzen

  • Cheung SNS (1998) The transaction costs paradigm. Econ Inq 36: 514–521.
  • Coase RH (1937) The nature of the firm. Economica 4: 386–405.
  • Coase RH (1959) The Federal Communications Commission. J Law Econ 2: 1–40.
  • Coase RH (1960) The problem of social cost. J Law Econ 3: 1–44.
  • Hayek FA (1937) Economics and knowledge. Economica 4: 33–54.
  • Hayek FA (1945) The use of knowledge in society. Am Econ Rev 35: 519–530.
  • McCloskey D (1998) The good old Coase Theorem and the good old Chicago School: A Comment on Zerbe and Medema. In: Medema SG, editor. Coasean Economics: Law and Economics and the New Institutional Economics. Boston: Kluwer. pp. 239–248.
  • Posner EA (2017) Coase Theorem. In: Frey BS, Iselin D, editors (2017) Economic Ideas You Should Forget. Cham: Springer. pp. 101–103.
  • Stigler GJ (1966) The Theory of Price. New York: Macmillan. 3. ed. 355 p.
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