Die Öl- und Gaslobby ist clever

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publiziert in der Basler Zeitung vom 26. Juli 2019

Im Auto habe ich kürzlich eine Sendung gehört, in der der Einfluss der Öl- und Gaslobby an internationalen Konferenzen (natürlich negativ- kritisch) analysiert und kommentiert wurde. Interessenvertretung ist per se weder verboten noch unmoralisch. Im Energie- und Klimabereich sind ohnehin die neuen Erneuerbaren allgegenwärtig und haben die Politik und die Medien fest im Griff. Selbst ein Teil der Wissenschaft macht hier aus Eigeninteresse oder Sendungsbewusstsein freiwillig mit.

Was die Öl- und Gasbranche jedoch fertigbringt, ist nur auf den ersten Blick widersprüchlich, wenn nicht gar verrückt. Dem Polit-Ökonomen sind unbeabsichtigte Folgen wirtschafts politischer Massnahmen seit langem bekannt. Gute Absichten führen bei schlechten Anreizen zum Gegenteil. Lange Mutterschaftsurlaube auf Kosten der Arbeitgeber führen zu einer rein «statistischen Diskriminierung» junger Frauen. Oder das Paradebeispiel aus dem Lehrbuch: In Indien wollte man giftige Schlangen ausrotten und bezahlte für jedes Exemplar eine Prämie. Was geschah? Die Leute züchteten in speziellen Farmen Riesenmengen der Schädlinge! Als Junge vom Land habe ich Mäuse gefangen und dem Bauer gegen 5 Rappen tot verkauft. Doch auf die Idee einer Zucht kam ich nicht; aber der Bauer hätte es wohl gemerkt, weil er meine Fallen sehen konnte.

Doch selbst für den erfahrenen Experten ist der umgekehrte Fall nicht leicht erkennbar. Also da propagiert oder unterstützt eine Lobby etwas, was ihren Interessen scheinbar zuwiderläuft, aber via Fehlanreize indirekt für sie positiv ist.

Die Gas- und Ölinteressen unterstützen nämlich zumindest verbal und medial Investitionen und Subventionen für Sonne und Wind. Gut, das mag der Reputation dienen und den schlechten Ruf mildern. Aber in Tat und Wahrheit ist es die beste Überlebensstrategie. Je mehr ein Land wie Deutschland in Solar und Wind investiert und Kohle und Atom zu Sündenböcken werden, desto besser die Chance für Erdöl und vor allem Gas. Je höher der Anteil von Flatterstrom, desto «nachhaltiger» die langfristigen Garantien für Öl und Gas als Doppelkapazität für Puffer- und Reservestrom. Eine Unterstützung für Kernenergie sucht man deshalb vergebens, weil diese Strategie voll zu ihren Lasten ginge. Also vor allem die Gasproduzenten machen das schon richtig aus ihrer Sicht: Gegen Kohle und Atom und für Sonne und Wind sichern sie ihr Überleben am besten und längsten. Und sie müssen erst noch nicht ihre wahren Ziele offen vertreten. Der Ruf nach Gaskraftwerken kommt ganz von allein und aussen. Die Gasinteressen werden sich diesem Notruf «beugen».

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