Kernkraft muss man nicht mögen

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Kernenergie ist ein extrem emotional beladenes Thema. Entweder man ist dagegen oder man ist dafür. In kaum einem anderen Themenbereich ist der konstruktive Diskurs so verloren gegangen und die sachliche Auseinandersetzung so verschwunden, wie hier. In dieser Kolumne nun zu versuchen, jemanden von seiner längst gemachten Meinung umzustimmen, ist wohl so hoffnungslos wie das Unterfangen, einen FCB-Fan ins YB-Lager holen zu wollen.

Bei Energie geht es allerdings nicht um ein Spiel, sondern um eine Lebensnotwendigkeit. Es ist nicht gut, für oder gegen irgendeine Form der Energieumwandlung eine emotionale Bindung zu haben. In einer aufgeklärten Welt sollte sich der rationale Entscheid durchsetzen. Immer wenn mir vorgeworfen wird, ich sei mal für Erdölfirmen tätig gewesen und deshalb von denen sowieso gekauft, ich sei mit meinen kritischen Äusserungen zu neuen Erneuerbaren in der Vergangenheit stecken geblieben oder ein nicht lernfähiger Atömler, oder bei irgend einer anderen Form der Desavouierung, ist die Diskussion gestorben. Ad-hominem-Vorwürfe zeigen nur, dass sachliche Argumente fehlen. Noch perfider ist es, kritische Stimmen schon gar nicht zu Wort kommen zu lassen. Hier ist jedoch der falsche Ort, sich darüber zu beklagen.

Zurück zur Kernenergie: Unsere alternden Atomkraftwerke sind tatsächlich keine Zukunftsmodelle, auch wenn sie tadellos und sicher funktionieren. Wer würde schon einen VW-Käfer für die Zukunft der Automobilität anpreisen, auch wenn diese heute noch laufen, laufen und laufen? Auch die Grösse der Kraftwerke entspricht nicht mehr dem Trend dezentraler Energieversorgung. Grosse Anlagen sind betriebswirtschaftlich zwar attraktiv, bilden gleichzeitig aber auch ein Klumpenrisiko, sowohl in der Finanzierung wie auch bei einem Ausfall. Die Angst vor einer Kernschmelze bleibt das populärste Argument der Ablehnung, selbst wenn Risikoanalysen das Gegenteil beweisen. Und dann wäre noch der langlebige Abfall. Es ist in der Tat problematisch, Abfälle zu generieren, die länger existieren als sie aktiv kontrolliert werden können. Es ist verständlich, dass man die Zukunftsfähigkeit einer solchen Technologie infrage stellt.

Doch das ist genau, wo Forschung und Entwicklung (F & E) ansetzen muss. Denn die unübertroffenen Qualitäten der Kernenergie, wie zuverlässig höchste Leistung mit kleinstem Ressourcenverbrauch bei geringsten Emissionen erbringen zu können, darf man nicht einfach unter den Teppich wischen. Länder mit echten Energie- und Umweltproblemen wie China und Indien investieren wohl in neue erneuerbare Energieträger, aber gleichzeitig auch in Kernenergie. Neben Effizienzsteigerung ist das der richtige Ansatz. Um unsere globalen Bedürfnisse zu decken, werden wir sämtliche Formen der Energieumwandlung nötig haben.

Askese ist nicht mehrheitsfähig und die komplett belastungsfreie Energieumwandlung gibt es nicht. Es braucht die diskriminierungsfreie Auseinandersetzung mit diesen Themen. Politisch forcierte Förderung auf vorgegebenen Wunschpfaden ist mit Sicherheit der falsche Ansatz. Denn nur mit freier F & E wird Innovation und Fortschritt überhaupt möglich.

Vorgefasste Meinungen sind zwar erlaubt, wie es auch Präferenzen für einen Fussballclub sind. Nicht erlaubt sind hingegen unterschiedliche Regeln für gegeneinander spielende Teams. Es geht nicht darum, wessen Fan wir sind, es geht darum, ob wir guten Fussball wollen. Das geht nur mit fairen Spielen, sogar gegen YB.

publiziert in der Basler Zeitung vom 20. Juli 2018

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